Haustüren zu, Herzenstüren auf – was (Ehe)Paare füreinander öffnet

Über der täglichen Nachrichtenflut, Homeoffice und Quarantänevorschriften beginnt sich in Coronawoche 4 langsam dicke Luft in Ihrer Paarbeziehung auszubreiten. „Nie nimmst du dir Zeit für mich! Die Kinder, der Haushalt, die Schule, alles was da abgeht, hat anscheinend nichts mit dir zu tun! Ich weiß schon, auf das lächerliche Virus pfeifst du, ausbaden muss es wieder einmal ich! Warum rede ich überhaupt noch mit dir, ich war dir doch schon immer egal!“

Wortlos dämmert Ihnen nach diesem Redeschwall an Vorwürfen, dass in Ihrer Paarbeziehung irgendetwas schieflaufen könnte. Nur was? Wie kann unter den jetzigen Dauerbelastungen neue Verbundenheit überhaupt möglich werden?

Hier ist wieder Petra Ganneshofer. Als Paartherapeutin weiß ich, wie wichtig es gerade jetzt für viele Paare ist, einen gemeinsamen Heilungsweg als Paar zu finden. Die räumliche Enge mit Ihren Kindern und dem Homeoffice in den eigenen 4 Wänden ist vielleicht schwer zu ertragen, oder Sie fühlen sich ausgeliefert aneinander und allein gelassen. immer öfter kommen alte Wunden hoch, die laut anklopfen und endlich wahrgenommen werden wollen – nämlich von beiden Seiten.

Aktives Hinhören z.B. in wertschätzenden Paardialogen, Offenheit und ein mutiger Blick auf das, was Sie verletzt hat, helfen Ihnen unbewältigtes Gepäck aus der Vergangenheit aufzuarbeiten und alte Verletzungen auszuheilen. Das birgt eine riesen Chance! Denn Ihre Konflikte als Paar wurzeln oftmals in Ihrer Biografie und können Ihre Paarbeziehung erheblich belasten. Um Ihren gemeinsamen Heilungsweg zu aktivieren, möchte ich Ihnen nun einen weiteren Leitsatz der Veränderung mitgeben:

Du bist das Mittel meiner Veränderung! Denn, was mich so aufregt an dir, hat immer etwas mit mir zu tun.

Die sogenannte 90:10 Regel besagt, dass alles, was Sie aufregt, zu 90% mit Ihnen selbst zu tun hat und wahrscheinlich nur zu 10% mit Ihrem Partner. Die Alarmglocken, die im Konflikt innerlich läuten, haben ganz oft mit früheren Erinnerungen zu tun, die weit in Ihre Kindheit hineinreichen. Die unliebsamen, lästigen Seiten des Partners werfen ihr Licht auf eigene verleugnete oder verdrängte Selbstanteile, die sich Gehör verschaffen und zwar meist lautstark – durch den Mund des Partners, der treffsicher Ihre wunden Punkte berührt.

Versuchen Sie gut auf Ihren Partner zu hören –  die Offenheit auf ein Du hin gelingt Ihnen leichter, wenn das Schmerzliche in Ihnen selbst endlich gehört und erlöst wird. Diese frühen Teile sind wie kleine Kinder. Sie beruhigen sich erst, wenn Sie genug Aufmerksamkeit bekommen, nämlich zuerst von Ihnen selbst. Auch wenn Sie gegenseitig treffsicher Ihre wunden Punkte berühren, können Sie füreinander zum Leitbild Ihrer Veränderung werden.

Üben Sie dafür aktives Zuhören. Das erhöht die Aufmerksamkeit füreinander und schenkt langfristig neue Verbundenheit. Verwenden Sie dafür ICH Botschaften und bleiben Sie bei sich. So können Sie Konflikte leicht selbst entschärfen. „Mir geht es so…“, „ich empfinde…“, „bei mir kommt da an…“. Das nimmt der Dynamik die Spitze und Sie nehmen sich selbst und Ihre Gefühle ernst. Denn Ihre Gefühle sind berechtigt. Lassen Sie sich selbst nicht allein!

Verbessern Sie laufend Ihre Wertschätzung: Prof. John Gottman hat basierend auf einer großen wissenschaftlichen Studie die 5:1 Regel entwickelt. Sie besagt: Um eine Kritik ihres Partners zu verkraften, brauchen Sie fünf Mal Lob! Wertschätzungen anzunehmen kann sogar noch schwieriger sein. Daher möchte ich Sie zu einer kurzen Übung einladen:

Versuchen Sie bei sich zu Hause einen existenzanalytischen Wertschätzungsdialog:

Suchen Sie dafür einen ruhigen Ort auf und setzen Sie sich mithilfe von zwei Stühlen mit offener Körperhaltung gegenüber. Laden Sie sich gegenseitig zu einer Reise in das Land des anderen ein. Diese Art von „Reisen“ sind im Moment sogar erlaubt. Kommen Sie vorweg bei sich selbst an. Lassen Sie den Tag mit allem Guten und Schwerem hinter sich. Sie können dafür die Augen schließen. Atmen Sie tief durch.

Schauen Sie einander nun an, gehen Sie in den Blickkontakt und sagen Sie es mit Ihren Augen: „Ich bin jetzt für dich da. Ich will dir zuhören, ich bin ganz online!“ Nun sind die Segel für Ihre Wertschätzungsreise gehisst! Es kann losgehen. Bleiben Sie im Blickkontakt!

Überfluten Sie einander im Dialog ausschließlich positiv.

Bestimmen Sie nun einen Sender und einen Empfänger. Wechseln Sie diese Rollen anschließend ab.

Der Sender beginnt nun mit einer Wertschätzung: „Mir hat in den letzten Tagen gut getan…“, „ich bin dir dankbar…“, „Es freut mich, wenn du…“, „ich schätze an dir…“ Wichtig ist es, negative Bewertungen seitlich neben Ihren Stühlen bildlich „einzuparken“.

Der Empfänger nimmt das Gesagte auf und wiederholt was er gehört hat: „Ich höre, du sagst, dass du dankbar bist, wenn ich…habe ich dich gehört?“ Lassen Sie Ihre Gefühle zu.

Der Empfänger kann beim Sender nun (wenn er will mehrmals) nachfragen: „Möchtest du mir noch etwas dazu sagen?“ So können Sie Ihre Liebestanks gemeinsam gut auffüllen.

Legen sie als Sender ebenfalls ihre Gefühle in die Wertschätzung: „Wenn du mir freie Zeit gibst, dann fühle ich mich…“. Das verstärkt das gegenseitige Mitgefühl.

Der Empfänger wiederholt jedes Mal das Gesagte und fragt nach: „Ich höre du sagst…habe ich Dich gehört?

Der Sender kann auch eine vertiefte Wertschätzung geben und das Gesagte begründen: „Du hast schon viel gehört…und dass du mir freie Zeit gibst ist für mich so bedeutsam, weil…“

Zum Schuss fassen beide Partner (Sender und Empfänger) nochmals zusammen: „In diesem Dialog hat mir gut getan…“.

Schließen Sie den Dialog mit einer Geste der Verbundenheit und Zuneigung ab.

Ich wünsche Ihnen eine wertschätzende Verbundenheit und viele heilsame Momente, Ihre Petra Ganneshofer

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